Personalentwicklung + Leadership
Journal 02
Personalentwicklung + Leadership
Journal » 02 | Februar 2018
Autor » Jürgen Schmidt
Personalentwicklung durch Führungskräfte –
Annäherung an eine spezifische Dienstleistung
Journal 01 endete mit der Feststellung, dass Führungskräfte ihre Rolle als „interne Personalentwickler“ unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch einmal deutlich betrachten und nachschärfen können. Gerade wenn sie vielleicht schon in der Vergangenheit sehr bewusst die Verantwortung für die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wahrgenommen haben.
Es stellt sich die Frage, wie Führungskräfte diesem Rollenprofil auf wirkungsvolle Weise nachkommen möchten und wie sie den Menschen, die in ihrem Verantwortungsbereich tätig sind, genügend Energie und Aufmerksamkeit für deren Entwicklungsthemen entgegen bringen wollen. Diese rücken nämlich ins Zentrum der Betrachtung, besonders wenn Führungskräfte ihre Teams in umfassenden Veränderungsprozessen wirkungsvoll begleiten müssen, und dies ist heute ja fast schon der Normalfall. Zahlreiche Einflüsse aus dem Umfeld wie der viel beschworene Fachkräftemangel, der demografische Wandel und die Auswirkungen der Digitalisierung unterstützen den Bedarf der Unternehmen, ihr rapide wachsendes Wissen universell nutzbar zu machen. Dies erzeugt einen praktisch nicht mehr zu stillenden Bedarf an Qualifizierungen oder Nach-Qualifizierungen, der aus dem Bedürfnis der Unternehmen erwächst, mit allen Dimensionen der technologischen Entwicklung Schritt halten zu können. Daher sind Führungskräfte heutzutage besonders in der Kommunikation gefordert und sollen ihre Teams für den Umgang mit kontinuierlichen Veränderungen sensibilisieren. Welche Haltung brauchen Führungskräfte, um diese anspruchsvollen Ziele erreichen zu können? Wie gehen sie parallel mit ihren eigenen Entwicklungsthemen um? Diese Phänomene kurz zu befragen, hat letztlich den Impuls für Journal 02 ausgelöst.
FÜHRUNGSKRÄFTE FOKUSSIEREN AUF DEN AUSBAU VON FACH- UND METHODENKOMPETENZEN
Führungskräfte legen ihren Fokus vorwiegend auf den Ausbau von Fach- und Methodenkompetenzen und fühlen sich auf sicherem Terrain, wenn sie diesem Bedarf nachkommen können. Die Bereiche der Sozialkompetenz und der Bearbeitung von individuellen Entwicklungsperspektiven der Mitarbeiter werden lieber den Experten aus den Personalabteilungen überlassen. Diese Haltung erscheint insofern nachvollziehbar, da sich Führungskräfte in erster Linie für gute Ergebnisse und Prozesse in ihren Verantwortungsbereichen verantwortlich fühlen. Sie konzentrieren sich darauf, Arbeitskräfte und Arbeitseinsätze in ihren Teams erfolgversprechend zu organisieren und für messbare Resultate zu sorgen. Von ihrer „natürlichen“ Haltung her sind sie eher Personalmanager als Personalentwickler.
Starke Unternehmen mit einer tragenden Unternehmenskultur fordern zunehmend einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz, weil nur durch eine entschiedene Ausweitung aller Kompetenzen der gemeinschaftliche Erfolg abgesichert werden kann. Führungskräfte sind also aufgefordert, nicht nur stärker die Entwicklungsthemen jedes einzelnen Mitarbeiters in den Fokus zu nehmen, sondern diesen weiter aufzuspannen, um nicht nur für den eigenen Bereich zu entwickeln. Dies setzt Führungskräfte unter neuen und veränderten Handlungsdruck und fordert von ihnen eine Vorgehens- und Betrachtungsweise, die über den Tellerrand der eigenen Bereichsverantwortung hinaus reicht.
DIE EIGENE LERNBIOGRAFIE BESTIMMT DEN ZUGANG ZU ENTWICKLUNG.
Führungskräfte betrachten die Entwicklungsthemen der ihnen anvertrauten Mitarbeiter vor dem Hintergrund ihrer eigenen beruflichen Entwicklungsbiografie. Nicht nur technologiebestimmte Industrieunternehmen sind darauf angewiesen, ihre Führungskräfte gezielt aus ihren Experten zu entwickeln. Das Marktangebot an Spezialisten wie auch an Führungskräften ist in fast allen Branchen unzureichend. Es findet keine Deckung des realen Bedarfs mehr statt. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, einen möglichst großen Teil an historisch gewachsenem Wissen im Unternehmen zu bündeln und zu erhalten um jederzeit konkurrenzfähig zu bleiben.
Aufstiegs- und Karriereoptionen in Unternehmen sind immer noch stark mit der Übernahme von Führungsfunktionen und Managementpositionen verknüpft. Die Notwendigkeit der Aufwertung von Spezialistenkarrieren ist zwar vielfach bereits erkannt und in Angriff genommen, dennoch bleiben Führungskräfte und ihre speziellen Kompetenzen unverzichtbar, da nur durch Führung eine ausreichende Veränderungsdynamik in Organisationen entsteht.
Fachspezialisten nehmen ihre Entwicklung zur Führungskraft nicht immer ohne inneren Widerstand hin. Führungskompetenz wird im Gegensatz zum klaren und spezifischen Fachwissen gelegentlich als eine „generisch“ oder diffus erlebte Zusatzerfahrung verbucht, die wie nebenbei durch Zuwachs an Erfahrung erworben wird. Auf den ersten Blick scheinen die Möglichkeiten eines methodischen Aneignens oder eines systematischen Erlernens von Führungskompetenz begrenzt, auch wenn der Einsatz von Entwicklungsprogrammen sich immer wieder anbietet und sich auch bewährt hat.
Es zeigt sich aber häufig, dass Führungskräfte auf sehr wenige eigene Erfahrungen mit strukturierten Entwicklungsprozessen zurückgreifen können. In vielen Fällen sind sie weder systematisch auf ihren erweiterten Funktionsbereich vorbereitet worden noch hatten sie eingangs Mentoren oder andere Unterstützer zur Begleitung. In zu vielen Unternehmen beschleicht Führungskräfte das unangenehme Gefühl, sie hätten sich ihre Führungsfähigkeiten ausschließlich selber beibringen müssen, und zwar durch reines „Learning by Doing“ ohne jede strukturierte Lernunterstützung.
Unter solchen Umständen kann es schwer fallen, die eigene Führungskompetenz als wesentlich anzunehmen und vorbehaltlos zur Anwendung zu bringen. Führungskräfte sind dann gefährdet, sich weiterhin mit Detailarbeiten oder Mikro-Management zu befassen. Sie nehmen in Kauf, zu stark in die Tätigkeitsbereiche ihrer Mitarbeiter einzugreifen und deren autonomes Handeln auszuhebeln. Vielleicht möchten sie sich eher nur kompensatorisch ihrer eigenen fachlichen Zuständigkeit und ihrer Prozesskontrolle versichern. Letztlich ist mit diesen Ersatzhandlungen aber niemandem gedient.
MITARBEITER ERWARTEN IN ERSTER LINIE AUFMERKSAMKEIT UND VERTRAUENSBEWEISE.
Und wie sind die Erwartungen der Mitarbeiter einzuordnen? In der Regel sollen die Vorgesetzten natürlich die ersten Ansprechpartner sein, wenn Mitarbeiter ihren Entwicklungsbedarf formulieren. In vielen Unternehmen sind Instrumente wie Zielvereinbarungsgespräche oder ähnliche Formate zur Leistungs- und Entwicklungsbeurteilung gut eingeführt. Sie können bereits einen Rahmen für die am individuellen Bedarf entlang geplante Entwicklungslinie der Mitarbeiter festlegen. Mitarbeiter erwarten in diesen Gesprächen mit Recht die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten für ihre spezifische Arbeits- und Entwicklungssituation.
Dies funktioniert aber nur, wenn nicht nur harte Kennzahlen und der gegenwärtige Zielerreichungsgrad das Entwicklungsgespräch bestimmen und alle „weicheren“ Elemente als überflüssig erlebter Pflichtteil abgehandelt werden. Immer wieder muss man feststellen, dass Führungskräfte für nachhaltige Entwicklungsthemen wenig Aufmerksamkeit und Zeit zur Verfügung stellen und damit die Ausgewogenheit des Instruments in Frage stellen obwohl diese Ausgewogenheit ausdrücklich erwünscht ist. Dabei halten sie mit der Zielvereinbarung ein sehr nützliches Instrument in Händen, das über die notwendige Orientierung zu den Leistungsständen des Mitarbeiters hinaus die Möglichkeit zur ganzheitlichen Betrachtung des Menschen hinter der Arbeitskraft einschließt. Die Chancen zur Stärkung der gegenseitigen Verbindlichkeit und zur bewussten Arbeit an einer gemein-schaftlichen Vertrauenskultur bleiben noch zu oft ungenutzt.
Es nutzt auch nicht viel, die „weichen“ Entwicklungsthemen auszuklammern, denn bei Nichtbeachtung drängen sie sich zu anderen Gelegenheiten in den Vordergrund und äußern sich in latenten Interessenskonflikten oder weiteren Reibungsverlusten. Den marginalen anfänglichen Zeitgewinn bezahlt man später doppelt und dreifach mit Nacharbeiten an der Beziehung und erhöhtem Aufwand in der Klärung von vermeidbaren Missverständnissen. Die Vorgesetzten sind dafür verantwortlich, die Qualität ihrer Gesprächsformate sicher zu stellen und dabei auch Themen zu berücksichtigen, die nicht zu ihrem Brot-und-Butter-Geschäft gehören.
MITARBEITER STELLEN FORDERUNGEN NACH INDIVIDUELLEN FÖRDERUNGEN.
Mitarbeiter fordern heutzutage viel selbstverständlicher als in der Vergangenheit die Aufmerksamkeit der Führungskräfte für ihre individuelle Förderung ein. Das „Überstülpen“ von Entwicklungsthemen über ganze Mitarbeitergruppen oder Teams funktioniert nicht mehr. Führungskräfte müssen sich also wohl oder übel Zeit- und Energiekapazitäten schaffen, um mit ihren Mitarbeitern Entwicklungsziele auszuhandeln, die individuell und persönlich zugeschnitten sind. Sind Führungskräfte selbst zu wenig mit Maßnahmen und eigener strukturierter Unterstützung in Berührung gekommen, werden sie es als schwierig erleben, die Passgenauigkeit einzelner Maßnahmen aus der Fülle der Instrumente im Sinne ihrer Mitarbeiter beurteilen zu können. Sie können im Zweifelsfall auch nicht wirklich erfolgreich für ungewöhnliche Lösungen werben und verlassen sich gewohnheitsgemäß auf wenige Ansätze, die ihnen vertraut erscheinen.
Vielleicht erleben sie die Haltung ihrer Mitarbeiter auch als anmaßend, denn immerhin hat ein Großteil der Führungskräfte den Eindruck, sich um ihre eigenen Entwicklungsthemen sowieso nicht mehr ausreichend kümmern zu können. Zu diesem Bild der eigenen Stillstandserfahrung tragen steigender Ergebnisdruck und ständiger Zeit- oder Kapazitätsmangel nicht unwesentlich bei. Persönliche Reflexionszeiten oder das Nutzen von Austauschformaten mit Gleichgestellten bestehen entweder nicht oder werden wenig wahrgenommen, weil das Alltagsgeschäft keine Pausen erlaubt. Viele Führungskräfte schaffen es in der Verdichtung ihrer Zuständigkeiten gerade noch, mit einigem Selbstverständnis die fachliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter als wesentlich zu betrachten und wenn überhaupt, dann diese voran zu treiben.
Frustration ist kein guter Entwicklungspartner. Kommen die Führungskräfte als Anbieter und die Mitarbeiter als Zielgruppe in keinen konstruktiven Austausch zu ihren wechselseitigen Erwartungen, entsteht fast zwangsläufig ein Vakuum aus unterlassenen Förderaktivitäten mit weitreichenden und fatalen Folgen.
ENTWICKELTE MITARBEITER SCHAUEN BESONDERS KRITISCH AUF DIE ENTWICKLUNG ANDERER.
Entwickelte Mitarbeiter schauen nicht zuletzt auf die persönliche Entwicklungsbereitschaft ihrer Vorgesetzten. Wenn auf mehreren Ebenen gleichzeitig über angemessene Entwicklungsschritte nachgedacht werden kann, entstehen gute Chancen für mehr Dialog. Mitarbeiter, die ein hohes Maß an Eigeninitiative in die eigene Entwicklung stecken, geraten aber häufig in berechtigte Widerstände, wenn sie auf der Seite ihrer Vorgesetzten wenig Echo oder Interesse erleben. Anders sieht es aus, wenn sich die Führungskraft parallel in Bewegung setzt und in der Entwicklung des eigenen Teams oder der eigenen Einheit die Gelegenheit sieht, sich selbst als Lernpartner und damit quasi als Lernender einzubringen. Die miteinander geteilte Entwicklung bringt dann gewissermaßen den doppelten Effekt. Die Vorgesetzten nehmen dann sehr viel leichter und selbstverständlicher ihre Rollen als authentische Austausch- oder Diskussionspartner für ihre Mitarbeiter ein und festigen ihre Binnenverhältnisse.
Sich selbst parallel mit in den Fokus zu nehmen und noch einmal eigene Perspektiven zu erarbeiten, auch wenn die konkreten Maßnahmen völlig unterschiedlich aussehen können, kann im Idealfall wirkungsvolle Lernpartnerschaften selbst über Hierarchieebenen hinweg ermöglichen. Und Führungskräfte können sehr bewusst die Chance ergreifen, wieder etwas für sich selbst zu tun. Wenn Personalentwicklung allerdings ein isoliertes Thema oder eine Insellösung für eine bestimmte Personengruppe im Unternehmen bleibt, werden mögliche Synergieeffekte leichtfertig verschenkt und die notwendige strukturierte Einbettung in die strategische Ausrichtung ausgehebelt.
FÜHRUNGSKRÄFTE SPRECHEN UNTEREINANDER ZU WENIG ÜBER FÜHRUNG ALS KERNGESCHÄFT.
Grundsätzlich wird über Führung in Unternehmen viel zu wenig gesprochen, auch nicht innerhalb der eigentlichen Zielgruppe der Führungskräfte. Entwicklungsprogramme können zentrale Führungsthemen „in Sprache fassen“ und sollten daher immer mit dialogförderlichen Formaten angereichert sein. Im Praxistransfer führt der kontinuierliche Austausch zu einem gemeinsam getragenen Führungsverständnis, welches sich die Organisation im Idealfall nach und nach erschließen kann. Wenn gemeinsame Reflexionsräume fehlen, bleibt Führungskräften naturgemäß nur die persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Befindlichkeiten zu ihrer Führungsrolle und somit das Sieden im eigenen Saft. Führung als gemeinsam entwickeltes Verständnis kann unter diesen Voraussetzungen nicht wirklich im Unternehmen tragfähig werden.
Auch in Meetings zieht das Thema Führung gegenüber Zahlen, Daten, Fakten regelmäßig den Kürzeren. Dem kann man entschieden entgegen wirken, indem man von Zeit zu Zeit bewusst kurze, aber wirkungsvolle Zeitfenster definiert, in denen über die „Meta-Thematik Führung“ gesprochen und Führung mit praxisnahen und beispielhaften Alltagserfahrungen verknüpft wird. Gelingt dies, hat man im Grunde schon jeden Lern- und Praxistransfer abgesichert.
FÜHRUNGSKRÄFTE DÜRFEN SICH AUF IHRE INTUITION VERLASSEN.
Führungskräfte sind gut beraten, wenn sie sich auf ihre Intuition verlassen können. Aus der täglichen Zusammenarbeit erhalten sie in aller Regel für sie stimmige Eindrücke zu den Entwicklungspotenzialen ihrer Mitarbeiter. In positiven Grundannahmen über das mögliche Potenzial der Mitarbeiter manifestiert sich ihr Vertrauensvorschuss, den sie bereit sind zu investieren und der in aller Regel positive Impulse für die Mitarbeiterentwicklung gibt. Gleichzeitig sollten Vorgesetzte ihre Abteilungs- oder Bereichsziele so zu kommunizieren verstehen, dass reflektierte Mitarbeiter in der Lage sind, diese für sich zu übersetzen und mit realistischen Erwartungen an ihre eigenen Entwicklungsperspektiven zu verbinden. Nicht nur um die viel zitierten „Wunschkonzerte“ einzudämmen, sondern um das Bewusstsein für die Anliegen beider Seiten zu schärfen. Gleichzeitig sollten sich alle miteinander ermittelten Bedürfnisse aber auch in sinnvolle und erweiterte Aufgaben im eigenen Arbeitsbereich umsetzen lassen.
PERSONALENTWICKLUNG BEWEGT SICH IM SPANNUNGSFELD AUS GEBEN UND NEHMEN.
Die gute Nachricht für Führungskräfte: Sie haben kongeniale Partner im Prozess – ihre Mitarbeiter. Denn letztlich müssen diese auch verstehen, dass sie es mit in der Hand haben, das Konto aus Geben und Nehmen zwischen ihnen und ihren Führungskräften durch ihre eigenen Beiträge und Impulse auszugleichen. Nur bei einer vergleichsweise ausgeglichenen Handelsbilanz werden die Chancen auf eine wertschätzende, persönliche und gezielte Förderung wirklich gegeben sein. Ansonsten kommen persönliche Befindlichkeiten deutlich stärker ins Spiel. Führungskräfte sind dann geneigt, ihren Widerständen nachzugeben und Entwicklungsthemen von anderen im Zweifelsfall weniger Aufmerksamkeit und Energie zukommen zu lassen als es neutraler betrachtet vielleicht angemessen wäre. Daher müssen beide Seiten Botschaften einer grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft senden, damit diese aufgegriffen und zu gemeinsam definierten Maßnahmen führen können. Wenn Mitarbeiter auf die individuelle Einschätzung ihrer Leistung und ihrer Kompetenzen Wert legen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt bekommen möchten, wird genau dieses geschehen. Authentisches Feedback birgt aber immer auch das Risiko, dass nicht nur die Schokoladenseiten zur Sprache kommen und sich nicht immer nur alle Vorteile einseitig verteilen. Geben und Nehmen müssen sichtbar bleiben.
Langfristig bezahlt jedes Unternehmen alle Formen von latenten Verweigerungshaltungen durch eine höhere Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern. Dies macht sich sowohl durch steigende Fluktuation als auch durch eine verminderte Arbeitsproduktivität bemerkbar. Ganze Unternehmenseinheiten sowie die gesamte Organisation bleiben dann unter ihren Möglichkeiten. Es bleibt den Führungskräften nichts anderes übrig als die Mehrbelastung in Kauf zu nehmen, die vielleicht durch den zusätzlichen Fokus Mitarbeiterentwicklung entsteht – selbst wenn sie mal den einen oder anderen Hoffnungsträger für die eigene Abteilung plötzlich in eine andere Funktion tragen oder an die Konkurrenz verlieren sollten. Führungskräfte, die den Umgang mit Menschen suchen und ein grundsätzliches Interesse an deren vielfältigen Themen verspüren, finden es sicherlich einfacher, ihre förderliche Haltung in ihr Handeln zu integrieren. Vorgesetzte, die eher faktenbestimmt agieren, müssen sich stärker überwinden.
WIRKSAME PERSONALENTWICKLUNG ENTSTEHT IN WIRKSAMEN KOOPERATIONEN.
Daher erscheint mir umso wichtiger, dass sich Führungskräfte für ihre Rolle in der internen Mitarbeiterentwicklung angemessene Ressourcen und Unterstützung organisieren. Sie benötigen Partner im Prozess und werden in Zukunft stärkere Kooperationen mit allen Formen von Fachleuten (Personal/HR und externe Berater) eingehen und moderieren. Spezialisten dienen aber nicht mehr nur als „Serviceeinheit“, um vielleicht ein bestimmtes Aufgabenpaket zu übernehmen, sondern agieren tatsächlich stärker in der Funktion als interne oder externe Unterstützer, mit denen gemeinsam definiert und entschieden werden kann. Es erscheint durchaus verständlich, den „Service“ von Spezialisten nutzen und darüber eventuelle Risiken abfedern zu wollen, sollten sich die ausgewählten Maßnahmen doch nicht so effektiv wie gewünscht erweisen. In Zukunft wird die Personalverantwortung grundsätzlich noch stärker an den Handlungen der Führungskräfte festgemacht werden als bisher, aber die Führungskräfte sind auch eingeladen, diese Verantwortung in einem stärkeren Miteinander auszuüben und sich entsprechend zu organisieren.
Hier können Personalabteilungen und Berater helfen, alle unterschiedlichen Anliegen auszugleichen und unterstützend zu kommunizieren. Es werden für HR und Berater vielleicht neue Rollen entstehen, die noch stärkere Kooperationen ermöglichen und die Charakteristiken aller Beitragenden noch besser miteinander verzahnen oder integrieren. HR kann dabei als Vermittler nach innen und nach außen Wirkung entfalten und sich im eigenen Unternehmen unter Umständen noch einmal neu und strategisch positionieren.
Unternehmen, die Mitarbeiterentwicklung als integralen Bestandteil der allgemeinen Führungsarbeit aufwerten und von daher ihren eigenen Zugang herausstellen, werden jedenfalls auf allen Ebenen schneller konsensfähig. Erst dann können sich Führungskräfte wirklich unbelastet dem Thema Mitarbeiterentwicklung annehmen und sich dabei auf den Einsatz ihrer Kernkompetenzen konzentrieren.
Das wirft die Frage auf, aus welchen Quellen sich dieser Kern möglicher Führungskompetenzen überhaupt speisen lässt. Dieser Gedanke ist sehr interessant, sicherlich eine weitere Verfolgung wert, aber ich merke gerade, er wird für hier und heute zu umfangreich. Es ist ein eigenes Thema und damit Gegenstand des nächsten Journals.
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