Kompetenz- und Potenzialentwicklung
Journal 03
Kompetenz- + Potenzialentwicklung
Journal » 03 | März 2019
Autor » Jürgen Schmidt + Cornelia Stieler
Zur Blüte bringen –
Kompetenzen aus der Biostruktur ableiten und anwenden
Journal 02 endete mit verschiedenen Fragestellungen zur Kompetenzentwicklung, die wir in Journal 03 aufgreifen wollen. Wir – das ist diesmal ein Autorenteam bestehend aus mir, Jürgen Schmidt und meiner Kooperationspartnerin Cornelia Stieler. Sie bringt als Structogram®-zertifizierte Trainerin viel Erfahrung aus Ihrer Arbeit mit der Biostrukturanalyse mit, die sie in unterschiedlichen Unternehmenskontexten – vor allem bei Pflege- und Sozialträgern – einsetzt.
MENSCHEN WOLLEN IHRE KOMPETENZEN IN UNTERNEHMEN EINBRINGEN.
Zunächst möchten wir uns der Frage stellen, zu welchem Zweck sich Unternehmen überhaupt mit der Definition von Kompetenzen beschäftigen, denn Kompetenzmanagement gehört heute immerhin zum weithin praktizierten Standard in Organisationen. Ein funktionierendes Kompetenzmanagement verbindet Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen, Mitarbeitergespräche und Feedback- oder Auswahlverfahren miteinander und erzeugt so nachhaltige Effekte. Alle in der Personalentwicklung eingesetzten Instrumente lassen sich über Kompetenzen auf ihre Relevanz und ihre zuverlässige Wirkung überprüfen. Vergleichbare Kompetenzindikatoren machen Personal- und andere unternehmerische Entscheidungen transparenter und nachvollziehbarer. Ein sorgfältig aufgebautes Kompetenzmanagement findet in der Regel eine gute interne Akzeptanz in der Belegschaft. Aber nur wenn Kompetenzen in einem mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern* gemeinschaftlich getragenen Prozess entwickelt werden, lassen sie sich dauerhaft in der Organisation verankern.
Die Einführung eines Kompetenzmanagements ist ein intensiver Definitionsprozess und daher fast immer mit einem hohen Aufwand an Zeit und Geduld verbunden, also mit kostbaren Gütern in unseren schnelllebigen Wirtschaftszeiten. Nicht selten stellen Interessenskonflikte und starke Reibungsverluste für jede Organisation Herausforderungen dar, die es zu meistern gilt. Soll der zu ermittelnde Kompetenzkatalog breiten und allgemeingültigen Anforderungen genügen, sind in der Regel mehrere Entwicklungsschleifen zu durchlaufen, bis die Organisation alle Kompetenzbeschreibungen sprachlich wie inhaltlich antizipieren kann. Je verbindlicher sich diese Formulierungen darstellen, desto mehr Zielgruppen sollten im Unternehmen in den Dialog über Kompetenzen eingebunden werden. Alle Gruppen vertreten naturgemäß eine Vielzahl von Ansprüchen und Bedürfnissen, die ausbalanciert werden müssen. Zusätzlich sollten sich die jeweiligen Unternehmensziele und -strategien in den definierten Kompetenzen abbilden. Ein Kompetenzkatalog bedient also viele Anforderungen und demzufolge braucht es in der Regel einen langen Atem und einiges an Durchhaltevermögen, bis ein allgemein akzeptiertes Instrument aufgebaut ist.
Die Anstrengungen, die Organisationen in dieser Initialphase auf sich nehmen, zahlen sich aber fast immer aus. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können in einem schlüssigen Kompetenzkatalog ihre persönlichen Beiträge zum Unternehmenserfolg deutlich leichter entdecken. Beurteilungsprozesse und Mitarbeitergespräche verlaufen in der Folge reibungsärmer. Führungskräfte profitieren von der Möglichkeit, ihre Teams nach ihren strategischen Bedürfnissen kompetenzbasiert zusammenzustellen. Notwendige Personalressourcen werden klarer erkennbar und lassen sich dementsprechend leichter ausgleichen, wenn über die vorhandenen oder noch zu entwickelnden Kompetenzen Klarheit herrscht. Im Ausgleich verschiedener Positionen werden immer wieder Dynamiken und Reibungen entstehen die es aber im Prozess positiv zu nutzen gilt. Diese Rüttelstrecke ist vonnöten, um in einem ersten Schritt ein möglichst umfassendes repräsentatives Set von Kompetenzen zu ermitteln, das für den Großteil der Organisation Gültigkeit hat. In einem zweiten Schritt lassen sich dann einzelne Jobprofile oder weitere Spezifikationen ableiten, über die sich die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen zum Beispiel für Schlüsselpositionen einschätzen lassen.
EIN HILFREICHER KOMPETENZKATALOG STIFTET ORIENTIERUNG UND IST DENNOCH FLEXIBEL.
Unserer Ansicht nach sollte ein Kompetenzkatalog weniger darauf abzielen, starre „Standards“ festzuschreiben, als vielmehr die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit innerhalb einer Organisation abzubilden. Es wirkt sich immer günstig aus, den Katalog von Zeit zu Zeit moderaten Anpassungen zu unterziehen ohne die Basis der ermittelten Kompetenzen grundsätzlich in Frage zu stellen oder aufzuweichen. Eine kontinuierliche Anpassung trägt den sich extrem dynamisch ändernden Wirklichkeiten Rechnung, denen Unternehmen heute zwangsläufig ausgesetzt sind. Regelmäßige „Wartungseinheiten“ stellen die Relevanz des Kompetenzkatalogs und die Gültigkeit der Formulierungen für alle aktuellen Erfordernisse sicher. Insofern ist die Arbeit an einem erfolgreichen Kompetenzmanagement immer als ein permanenter Entwicklungs- und Verbesserungsprozess zu betrachten, der mit der Einführung des Instruments beginnt und sich kontinuierlich fortsetzt. Auch wenn ein Kompetenzkatalog eine stabile Orientierung bietet, sollte er nicht wie eine Zwangsjacke sitzen. Nur wenn das Unternehmen sich gestattet, die Auseinandersetzung über Kompetenzen mit der eigenen Veränderungsnotwendigkeit zu verbinden, kann eine flexible Anpassung an sich permanent ändernde Rahmenbedingungen erfolgen.
Die fortschreitende Digitalisierung wird in den kommenden Jahren Berufsbilder und Kompetenzen entstehen lassen, die wir im Augenblick eher erahnen als sinnvoll beschreiben können. Es verwundert daher nicht, dass sich viele Unternehmen mit der Festschreibung von Kompetenzen schwertun, die in labilen Märkten, unter starkem Wettbewerbsdruck oder unter Veränderungsbedingungen vielleicht morgen schon nichts mehr wert sein könnten. Wir finden jedoch, es macht jetzt gerade Sinn sich mit Kompetenzmanagement zu beschäftigen. Es geht darum, über gezieltes Kompetenzmanagement den Annäherungsprozess an Veränderungsszenarien aktiv zu gestalten und kontinuierlich zunehmenden Unsicherheiten und Irritationen in den Belegschaften entgegen zu wirken. Denn in unruhigen Zeiten ist die Diskussion über das, was man können sollte und einzubringen bereit ist, mehr als nur eine schlichte Absicherung. Nur in der internen Diskussion über die eigenen Kompetenzen verbessern Organisationen ihre eigenen Lernfähigkeiten, stiften für ihre Belegschaften ausreichende Sicherheit und sichern damit ihre Zukunftsaussichten. Auch in Zukunft wird die viel beschworene „lernende Organisation“ viel damit zu tun haben, dass sie vor allem eine kompetente Organisation sein will.
DIE RAHMENBEDINGUNGEN SIND BEREITS HEUTE SEHR ANSPRUCHSVOLL.
Was aber bereits festzustellen ist: Viele Menschen fühlen sich heute schon mit dem dynamischen und komplexen Wachstum ihrer Aufgabengebiete überfordert. Sie erleben Veränderungen in ihren Arbeitsbereichen häufig nur noch als bedrohlich und reagieren mit Rückzug oder offenem Widerstand. Auch wenn viele Unternehmen diesem Phänomen bereits erkennbar entgegen wirken, so wenig suchen sie tatsächlich die offene Diskussion über ihre möglichen Leistungsgrenzen. Wirtschaft und Politik halten wider besseren Wissens den Mythos aufrecht, es gäbe ein unablässiges und unbegrenztes Wachstum, auf dessen Konto wir alle einzahlen müssten. Dabei wissen wir es alle bereits besser oder zumindest erleben wir es anders. Unter real existierendem Kostendruck und in Zeiten des Fachkräftemangels wirkt sich der Abbau von Personal- und anderen Ressourcen als erhöhter Druck auf alle individuellen Arbeitsleistungen aus. Die Schere zwischen Anspruch und erlebter Wirklichkeit klafft in vielen Unternehmen immer weiter auseinander.
Daher braucht es nicht zu verwundern, wenn Belegschaften unter den gegenwärtigen Bedingungen auf jede weitere Veränderung in ihren Arbeitsbereichen sensibel reagieren und widersprüchliche Entscheidungen aus ihren Führungsetagen sehr deutlich wahrnehmen. Auch wenn die Digitalisierung verspricht, Prozesse anzupassen oder zu optimieren, kann sie nicht alle substanziellen Probleme auf der Mitarbeiterebene lösen. Vor allen Dingen kann sie nicht verhindern, dass Menschen danach streben werden, in ihrer Arbeit möglichst autonom denken und handeln zu können. Auch ein Kompetenzmanagement kann in Drucksituationen nicht wirklich zur Entfaltung kommen wenn Freiräume für die Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiterschaft fehlen. Diese müssen erst geschaffen oder wieder eingeräumt werden, damit sich das Bewusstsein für die eigene Kompetenz entfalten kann.
DER MENSCH SOLL ALLES KÖNNEN, STÖSST ABER AN SEINE BIOLOGISCHEN GRENZEN.
Menschen haben normalerweise ein gutes Gespür für ihre biologischen „Grundvoraussetzungen“ und wünschen sich häufig, ihre Arbeit würde deutlicher ihren „natürlichen Anlagen“ entsprechen. Dann könnten Sie ihre Beschäftigung eher als sinnstiftend erleben und ein Gefühl des „Beteiligt-Seins“ entwickeln. Besonders problematisch wird es immer dann, wenn Menschen ständig gegen ihre eigenen Bedürfnisse, gegen ihre Authentizität und damit letztlich auch gegen die eigene Biostruktur handeln müssen. Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass Unternehmen mit demotivierten und frustrierten Mitarbeitern auf lange Sicht immer wieder große wirtschaftliche Nachteile einfahren. Unternehmen sollten sich im Prozess immer wieder klar machen, dass über Kompetenzmodelle Idealfälle von Verhalten oder Eignungen beschrieben werden, die mit den tatsächlich herrschenden Rahmenbedingungen, in denen sich das Unternehmen bewegt, abgeglichen werden sollten.
Wenn beispielsweise für anspruchsvolle Positionen mit umfangreichen Aufgabenportfolios Personen oder Kandidaten gesucht werden, dann kommt es nicht selten vor, dass diese alle nur denkbaren Anforderungen „ideal“ erfüllen sollen, die mit der Bekleidung der ausgeschriebenen Position verbunden sein könnten. Auch wenn Papier (oder Online-Jobbörsen) geduldig sind: Wenn ich planerisch, detailgenau und strukturiert sein soll, wird es mir schwer fallen, gleichzeitig extrem flexibel, kooperativ und kommunikationsstark zu sein und darüber hinaus auch noch dynamisch, durchsetzungsfähig, spontan und innovativ – von allen sonstigen Erfahrungen, die ich mitzubringen habe, einmal abgesehen. Diese beschriebenen Eigenschaften kennzeichnen eher drei unterschiedliche Temperamente, als dass sie sich gleichermaßen stark in einer Person wiederfinden ließen, ohne dass diese an ihre „natürlichen“ Grenzen stoßen würde.
DER MENSCH KANN ABER ALLES WERDEN, WAS IHM MÖGLICH IST.
Wir möchten nicht falsch verstanden werden: ein Kompetenzmodell, dass eine biologisch bestimmte Grundstruktur des Menschen in sein Konzept einbezieht, will ihm weder seine individuellen Entwicklungsmöglichkeiten absprechen noch den Fokus auf Grenzen und Einschränkungen legen. Vielmehr geht es darum, im Einklang mit biologisch-natürlichen Voraussetzungen das Maximum an Entwicklung auszuschöpfen.
Die Hirnforschung geht davon aus, dass sich unsere Persönlichkeit in etwa zur einen Hälfte aus biogenetischen Voraussetzungen und zur anderen Hälfte aus Umwelteinflüssen zusammensetzt. Diese Annahme wird immer wieder durch Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung bestätigt. Voneinander getrennte Zwillinge, die unter unterschiedlichen Lebensbedingungen aufwachsen, weisen eine hohe genetische Ähnlichkeit aus und bleiben sich auch unter extrem verschiedenen Rahmenbedingungen ähnlich bezüglich ihrer Entwicklungsgeschichte. Auch die Annahme, unser Gehirn würde sich im Alter nicht mehr weiterentwickeln und die Teilung seiner Stammzellen einstellen ist bereits vielfach wissenschaftlich widerlegt. Stattdessen wird es jeden Tag bis ins hohe Lebensalter gefordert sich verändernden Lebensumständen anzupassen. Der Anspruch an lebenslanges Lernen ist also nicht nur gesellschafts- und wirtschaftspolitisch begründet, sondern sozusagen auch biologisch erfüllbar. Es mag uns tröstlich erscheinen, dass es unser Gehirn schaffen kann, mit den wesentlichen Entwicklungen in unserem Umfeld tatsächlich Schritt zu halten.
ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICH GREIFEN WIR AUF DREI GEHIRNAREALE ZURÜCK.
Der amerikanische Hirnforscher Paul D.Mac Lean hat ein sogenanntes „drei-einiges Gehirn“ (”Triune Brain“) beschrieben, das er entwicklungsgeschichtlich auf unterschiedliche Stadien der Evolution zurückführt. Dessen Bestandteile wirken sich in jedem Menschen unterschiedlich stark aus und prägen sein Verhalten entscheidend mit. Mac Lean’s Beschreibung dient als wissenschaftliche Vorlage für die Biostrukturanalyse/Structogram®.
Stammhirn oder „Reptiliengehirn“ (Farbe: Grün)
Das „Reptiliengehirn“ ist entwicklungsgeschichtlich das älteste der drei „Einzelgehirne“ und greift auf über 250 Millionen Jahre Erfahrungswissen zurück. Die Bezeichnung „Reptiliengehirn“bezieht sich auf den Landgang der Reptilien, die sich als erste Lebewesen aus dem Wasser heraus bewegten und für das Leben auf festem Untergrund organisieren mussten. Dieses Gehirn dient dem Ziel der Selbsterhaltung. Es regelt unsere Basisfunktionen wie unsere Atmung, unseren Kreislauf und den Stoffwechsel. Im „Reptiliengehirn“ sitzen unsere Instinkte, unsere Intuitionen sowie unsere unbewussten Wahrnehmungen und Reaktionen. Es steuert unsere Automatismen und hilft uns beim Umgang mit Bedrohungssituationen. Das Reptiliengehirn sichert unser physisches Überleben.
Limbisches System (Farbe: Rot)
Entwicklungsgeschichtlich ist dies das mittelalte Hirn. Es ist vor über 100 Millionen Jahre entstanden und mit den frühen Säugetieren verbunden, die erfolgreich jene Nischen besetzten, die durch das Aussterben der Saurier frei wurden. Dieser Teil des Gehirns dient der Selbstbehauptung. Er sorgt für unser Bestehen im Wettbewerb und im Extremfall für die Verdrängung von Konkurrenten, die weniger erfolgreich sind als wir selbst. In der Vergangenheit half das Limbische System vor allem dabei, in „Jagdgesellschaften“ zu bestehen zu überleben. Unsere Wahrnehmungen erhalten stabile Einordnungshilfen im Hier und Jetzt. Hierarchische Ordnungen werden gebildet und deutlich mit Rang, Status und Machtansprüchen gekennzeichnet. Das Limbische System hilft uns aber auch dabei, auf gegenwärtige Situationen spontan zu reagieren und unser Improvisationsvermögen anzuwenden.
Präfrontaler Kortex oder Großhirn (Farbe: Blau)
Das Großhirn ist mit 65 Millionen Jahre Entwicklungsgeschichte der jüngste Teil des Gehirns. In diese Periode fällt die Weiterentwicklung der Säugetiere zu den Primaten. Die Primaten eroberten die Bäume, entwickelten Greifarme und ihre Augen wanderten zum dreidimensionalen Sehen in den Frontbereich des Kopfes. Das Großhirn unterstützt die Selbstbestimmung, den Bau eines differenzierten Weltbildes mit unterschiedlichen inneren Modellen und einer konkreten Zukunftsvorstellung. Der Mensch wird reflexionsfähig, kann seine individuellen Bedürfnisse formulieren und sich über die aktive Vermittlung von Wissen über Schrift, Bild und Sprache als lernendes Wesen definieren. Durch die Leistungen des Großhirns können wir autonom planen und organisieren. Der Mensch ist aber auch die einzige Spezies im Tierreich, die sich nachweislich Sorgen machen kann und den eigenen Tod gedanklich erfasst.
Jeder Mensch verfügt über deutliche Einflussstärken aus allen drei Gehirnarealen, aber diese sind im Regelfall nicht gleichmäßig verteilt und zeichnen für unsere jeweils unterschiedlichen Temperamente verantwortlich. Insofern bildet jeder Mensch seine individuelle Biostruktur aus seinen unterschiedlichen Präferenzen für die einzelnen „Teil-Gehirne“, wobei aber alle Bereiche aktiv sind und auch „Koalitionen“ eingehen. Man kann also von einer gewissen Stabilität genetisch veranlagter Persönlichkeitsanteile ausgehen, die uns prägen und je nach Typ zurückhaltender und kühler oder impulsiver und nach vorne strebend oder eher gesellig und kommunikativ sein lassen. Menschliche Embryos durchlaufen alle drei hirngeschichtlichen Entwicklungsstadien im Zeitraffer und zeigen uns, dass unsere tierischen Ahnen in unserer eigenen Entwicklungsgeschichte gewissermaßen weiterhin aktiv sind.
Wir sind geneigt den eher „ungeliebten“ Anteilen unserer Anlagen entgegen wirken und sie „verändern“ zu wollen, um besser vor uns selbst dazustehen. Also verlassen wir uns gerne darauf, dass unsere genetischen Anlagen durch Umfeldeinflüsse und Lernerfahrungen beeinflusst, optimiert oder unter Umständen auch erfolgreich unterdrückt werden können. Wir wiegen uns in vermeintlicher Sicherheit, unsere „Schwächen“ in jeder Situation erfolgreich überwinden zu können. Oftmals gelingt uns das auch. In Situationen, in denen wir unbewusst und intuitiv oder unkontrolliert reagieren, machen sich unsere biologischen Grundvoraussetzungen jedoch deutlich bemerkbar und werfen uns wieder auf unsere „natürlichen“ Reaktionen zurück.
Ein äußerst zurückhaltender Mensch kann beispielsweise sehr viel trainieren und üben, wird demzufolge deutlich kommunikativer und lernt auch, sein antrainiertes Kommunikationsverhalten erfolgreich anzuwenden. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kommunikation immer mit gewissen Anstrengungen und der Überwindung spezifischer Herausforderungen verbunden bleibt. Aber diese Kenntnis der eigenen Hürden hat auch ihr Gutes, denn das Verlassen der persönlichen Komfortzone und die daraus resultierenden Lernerfolge werden bewusster wahrgenommen und vielleicht auch gezielter ins eigene Handeln integriert. Erkennen wir unsere Hürden klarer, gelingt es uns meist besser, das erfolgreiche Überspringen zu wertschätzen und uns selbst weniger defizitär zu erleben. Erfahrungslernen findet außerhalb der Komfortzone statt.
DIE BIOSTRUKTURANALYSE IST KEIN TESTVERFAHREN.
In den Gesprächen mit unseren Projektkunden beschreiben wir immer, dass die Biostrukturanalyse/ Structogram® kein Testverfahren im eigentlichen Sinne ist. Die Analyse basiert auf einer subjektiven Selbsteinschätzung. Es werden für die Ergebnisse keine Vergleichspersonen oder Querschnittgruppen zu Rate gezogen. Daher dient das Instrument in erster Linie zur Selbstreflexion. Für zusätzliche externe Einschätzungen kann es aber bei Bedarf hervorragend mit Test- oder anderen personaldiagnostischen Verfahren kombiniert werden. Das Structogram® ist auch ein beliebtes „Einstiegstool“, das die Teilnehmer mit sehr persönlichen Erfahrungen versorgt, die helfen, eine innere Logik für das eigene Verhalten zu entdecken und es somit besser einordnen zu können. Teilnehmer erzielen für sich schnelle Erkenntnisse, fühlen sich motiviert und wirken in der Regel positiv auf ihre gesamte Umgebung ein.
Neben dem Farbschema aus Grün-Rot-Blau folgt das Instrument weiteren einfach zu deutenden Prinzipien. Zunächst beschreibt es einen Kreis aus 36 Kreissegmenten (= 360 Grad) und damit den Menschen als vollständiges und geschlossenes System. Die individuellen Befragungsergebnisse ergeben immer eine Gesamtzahl von 36 Punkten, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Bildung oder sonstigen Voraussetzungen. Es geht also im Verfahren nicht darum, möglichst viele Punkte zu sammeln, vor anderen mit einem guten Ergebnis zu glänzen oder auch nur gegen sich selbst und den eigenen Ehrgeiz zu gewinnen. Stattdessen verteilt man für sich individuell seine eigenen 36 Einheiten – entweder ziemlich gleichwertig (z.B. Rot/Grün/Blau 12/12/12 oder angenähert) oder mit klaren Schwerpunkten (z.B. 20/10/6), je nach den Befragungsergebnissen. Abhängig von der Verteilung entstehen daraus verschiedene Aussagen zu Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des jeweils hinterlegten Handelns, aber nicht im Sinne eines „Besser-Seins“ gegenüber anderen Farbkombinationen. Wie bereits erwähnt sind immer alle 3 Farben aktiv (Mindestwert 2) und wirken sich auch in bestimmten Kombinationen jeweils unterschiedlich aus.
Dieses „egalitäre“ Prinzip hat aus unserer Sicht bestechende Vorteile, die sich auch in unseren Beratungsprojekten immer wieder zeigen. Naturgemäß tun sich beispielsweise unsere Projektkunden im Pflege- und Sozialbereich mit einer ausgesprochenen Wettbewerbsorientierung schwerer als unsere vertriebsnahen Industriekunden. Offen ausgesprochenes Konkurrenzdenken wird in traditionell eher helfenden und unterstützenden Unternehmenskulturen trotz natürlich auch dort vorhandener Interessenskonflikte als nicht passend erlebt. Also hat ein Verfahren, dass statt „harten“ Test- oder Feedbacksituationen die individuelle Reflexion in den Mittelpunkt stellt, bessere Chancen auf eine breite Akzeptanz zu treffen. Durch die Biostrukturanalyse reflektieren die Mitarbeiter nicht nur ihre eigenen Stärken, die sie in ihre Arbeitsbeziehungen einbringen, sondern sie bekommen auch eine Idee davon, zu was oder wem sie ihre Stärken komplementär – also ergänzend – einbringen können. Und umgekehrt können sie in der Kenntnis der eigenen Entwicklungsbereiche jene Stärken bewusst suchen und nutzen, die andere ihnen gerne zur Verfügung stellen. Die Biostrukturanalyse erleichtert diesen Austausch und unterstützt daher auch gerade den Teamkontext (Teambuilding, Teamcoaching) in besonderem Maße.
KOMPETENZEN UND BIOSTRUKTUR UNTERSTÜTZEN GEMEINSAM DIE FÜHRUNGSARBEIT.
Führungskräfte tun sich häufig schwer mit der Anwendung von Test- oder Diagnoseverfahren, wenn sie diese als zu theoretisch empfinden. Die Biostrukturanalyse bietet hingegen aufgrund ihres logisch nachvollziehbaren Grundmusters einen vergleichsweise einfachen Zugang für Führungskräfte. Aus eigenem Erleben und letztlich auch aus der eigenen Reflexion ihres Führungshandelns können Sie in der Regel leicht nachvollziehen, wie Stärken auf der einen Seite mit Entwicklungsbereichen auf der anderen Seite zusammenhängen. Auf diese Weise zeigen sich Ambivalenzen und Widersprüche in der menschlichen Natur, indem sie auf ihre natürlichen Ursprünge zurückgeführt und nicht unnötig stark psychologisiert werden müssen. Darüber hinaus lernen Führungskräfte die eigene Wirkung auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlicher einzuschätzen und erkennen dadurch leichter, in welchen Bereichen sie beispielsweise mehr Unterstützung geben sollten. Sie können nicht nur die eigenen Motivationsfaktoren stärker reflektieren sondern auch die ihrer Teams gezielter ansprechen und Entwicklungsprozesse bewusster auslösen.
Zukünftig wollen wir die Biostrukturanalyse mit einem eigenen Kompetenzkatalog hinterlegen, da wir in der Verbindung der beiden Komponenten weiteres Unterstützungspotenzial für zahlreiche Fragestellungen vermuten, die unsere Projektkunden beschäftigen. Auch wenn wir zur Zeit noch mitten im Definitionsprozess stecken, hier schon einmal ein kurzer Überblick über mögliche Kompetenzbereiche, mit denen wir die Farbkombinationen aus der Biostrukturanalyse aufgreifen und anschließend mit Handlungsbeschreibungen hinterlegen möchten:
GRÜN:
Empathie, Kontaktfreude, Vertrauen, Beziehungsmanagement, Offenheit, Sympathie, Achtsamkeit, Netzwerkfähigkeit, Respekt, Kooperation, Integration, Unterstützung
GRÜN | ROT bzw. ROT | GRÜN:
Vorbildwirkung, Umgang mit Fehlern, Delegationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit, Teamführung, Feedbackfähigkeit, Konflikterkennung – und bearbeitung, Kundenorientierung, Schnittstellenmanagement, Mitarbeiterförderung
ROT:
Ehrgeiz/Ambition, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft, Veränderungsbereitschaft, Durchsetzungskraft, Denken in Herausforderungen, Optimismus und Erkennen von Chancen, Natürliche Autorität und Positionierung, Flexibilität und Agilität
ROT | BLAU bzw. BLAU | ROT:
Risikomanagement, Realismus, strukturiertes Vorgehen, ziel- und ergebnisorientiertes Führen, Entscheidungsfähigkeit, Prioritäten, Innovationsfreude, Abschlussfähigkeit und Ergebnissicherung, Selbstmanagement, Beharrlichkeit/Krisenfestigkeit, Initiative/Pro-Aktivität, Verantwortung, Lösungsorientierung
BLAU:
Analytische Fähigkeiten, Marktkenntnis, Fachkenntnis, Qualität, Genauigkeit, Aufgabenorientierung
BLAU | GRÜN bzw. GRÜN | BLAU:
Konzeptionelle Fähigkeiten, Werteorientierung, Glaubwürdigkeit, Lernbereitschaft, kreativ-visionäres Denken, Integration von Vielfalt, Wissens- und Informationsvermittlung
DIE BIOSTRUKTURANALYSE PASST GUT ZUR SYSTEMISCHEN ARBEITSWEISE.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Biostrukturanalyse erhebt keinen „Absolutheitsanspruch“ zur Erklärung jeglichen Verhaltens, sondern betrachtet die „Hälfte“ unserer Persönlichkeit genauer, die unser genetisches Erbmaterial repräsentiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden durch Ergebnisse aus der Hirnforschung ergänzt. Auf dieser Basis können wir jedoch bestimmte Grundannahmen über unsere Einstellungen und Vorlieben, unser Handeln und unsere Entwicklungsmöglichkeiten beschreiben.
Wir arbeiten nicht zuletzt deshalb gerne mit der Biostrukturanalyse/Structogram®, weil sie sich unserer Meinung nach gut mit unserer systemischen Haltung und Arbeitsweise verbindet. Sie stellt nicht nur die Autonomie des eigenen Systems in den Mittelpunkt, sondern betrachtet im Hintergrund auch die Umfeldbedingungen und Regelwerke sehr genau, die Menschen sich selber geben. Damit regt sie zu differenzierten Unterschiedsbildungen an. Der Mensch wird als offenes und handlungs-autonomes System betrachtet. Die Debatte um „Was ist Veranlagung? Was sind Umwelteinflüsse“ gehört aus unserer Sicht immer originär mit zur Systembetrachtung. Denn wir werden das menschliche Handeln nach wie vor nicht mit einfachen Prinzipien von Ursachen und Wirkungen umfassend beschreiben können.
Die Systembetrachtung liefert gleich das Stichwort für das nächste Journal. Wir möchten darin eine Mitarbeiterbefragung bei einem Pflegeträger, also anhand eines exemplarischen Kundenfalls beschreiben, mit dem der Projektkunde bestimmte Ziele verbindet und eine Veränderung der Unternehmenskultur einleiten möchte. Wie setzen wir eine solche Befragung auf und wie arbeiten wir mit den Ergebnissen weiter? Kommt bereits in Kürze und wir freuen uns also auf Ihr fortgesetztes Interesse.